Wie die Liebe mich nach Berlin brachte – und die Stadt mich behielt

Eigentlich war alles ganz anders geplant. Vernünftig. Strukturiert. Ich wollte erst noch mein erstes Jahr Abitur fertig machen, drei Monate durchhalten, und dann nach Berlin ziehen. So hatte ich es mir vorgenommen. Doch Pläne haben es an sich, dass sie manchmal leiser sind als die Sehnsucht.

Nach drei Wochen in Berlin – bei meinem damaligen Freund – musste ich zurück aufs Dorf, zurück in mein Kinderzimmer. Zurück zu Ruhe, Routinen und den immer gleichen Wegen. Doch nach nur einer Woche war klar: Ich halte das nicht aus. Die Sehnsucht war lauter als jede Vernunft. Ich wollte zurück zu ihm. Ich wollte zurück nach Berlin.

Also packte ich mein Leben zusammen. Mein „Umzugsunternehmen“ hieß DHL: drei Pakete Größe L, gefüllt mit allem, was mir wichtig erschien. Mein Kinderzimmer in Kartons verpackt, frankiert und verschickt. Dazu ein großer Koffer, den ich selbst hinter mir herzog, und ein Ticket für den ICE Richtung Hauptstadt. Ich war 21, wohnte noch bei meinen Eltern – und plötzlich auf dem Weg in ein neues Leben.

Meine Mama so: „Ich versteh dich. Du hast hier ja nix, und in Berlin haste schon Freunde und ne Grundlage.“
Sie verabschiedete mich zuhause, mit einem langen Blick, der alles sagte.

Mein Papa? Hat sogar mit angepackt. Wir haben die Sachen zusammen in die DHL-Filiale gekarrt. Als die Pakete weg waren, dachte ich nur: „So, Mädel. Jetzt gibbet kein Zurück mehr.“ Er brachte mich dann auch zum Bahnhof. Der Moment, als er mich dort absetzte, war hart. Ich hatte Tränen in den Augen, weil ich spürte: Ich lasse hier meine ELTERN, meine FAMILIE & mein altes „Leben“ zurück. Gleichzeitig wusste ich: Genau dieses Leben hält mich unten. Ich war schwer depressiv, gefangen zwischen Routine und Enge, und ich wusste: So will und so kann ich nicht mehr leben. Wenn ich bleibe, gehe ich kaputt. Also musste ich gehen.

Anders, als manche denken, fiel es mir nicht leicht, meine ELTERN und meine FAMILIE zu verlassen. Aber mir war klar: Wenn ich hier bleibe, werde ich nicht mehr lange leben wollen.

Dann stieg ich in den ICE – 3 1/2 Stunden geplant, 6 warn’s am Ende (Danke, Bahn 😏). Neben mir der goldene XXL-Koffer, unterm Arm der Laptop, im Ohr Grey’s Anatomy. Mit jeder Station Richtung Hauptstadt wurde ich kribbeliger. Ich dachte nur: „Jo, das ist jetzt mein Neuanfang.“


Vom Dorf in die Großstadt

01. Mai 2021. Tag der Arbeit, Tag des Wandels.
Dorf: 23.554 Einwohner → Berlin: 3,69 Millionen.

Und plötzlich war alles anders. Von Feldwegen und „Jeder kennt jeden“ ging’s zu hupenden Autos, U-Bahnen im Fünf-Minuten-Takt und Menschenmassen ohne Ende. Klar, Alltag hatte ich auch hier – einkaufen, Wäsche machen, selber klarkommen. Aber das Geile an Berlin? Keiner kennt dich. Keine Vorurteile, kein „Ach, dat is doch die Tochter von …“. Plötzlich war ich nur noch eine von Millionen. Anonym. Frei.


Meine erste Hood

Am Anfang bin ich erstmal in der c-base gelandet – einer Hacker- und Nerd-Location. Ganz ehrlich? Damit konnte ich damals noch überhaupt nichts anfangen. War nicht meine Welt, zu fremd, zu abgefahren.

Meine erste richtige Hood war dann die Gegend rund um den U-Bahnhof Franz-Neumann-Platz. Kein Schickimicki, kein Szene-Kiez – aber für mich: Heimat 2.0. Und da hab ich zum ersten Mal gedacht: „Ey, ich leb hier jetz. Wtf.“


Berlin verändert

Rückblickend war der Umzug nicht nur von A nach B, sondern ein kompletter Wendepunkt. Berlin hat mich selbstständiger gemacht, mutiger, selbstbewusster. Im Dorf war ich immer „die Tochter von …“, „die mit dem komischen Gesicht…“. In Berlin? Einfach nur ich. Einer von Millionen. Ohne Etikett, ohne Ballast.

Ich bin in Berlin erst wirklich ich selbst geworden. In Berlin habe ich gemerkt, wer ich eigentlich bin – wer Nessa ist!

Und genau hier, zwischen U-Bahn-Rattern, Menschenmassen und endlosen Möglichkeiten, bin ich wirklich ich selbst geworden.


Fazit

Mach, mach, mach! Dieses Gefühl, Wahl-Berlinerin zu sein, kommt bis heute immer wieder hoch. Aber so richtig offiziell wars erst, als ich den Ausweis in der Hand hatte – schwarz auf weiß: Wohnort: Berlin.

Ob ich’s bereue? Kein Stück. Wenn ich meinem 21-jährigen Ich was sagen könnte, dann nur eins: „Mach, Mädel! Am besten noch früher! Mach es genauso! MACH MACH MACH!“