Triggerwarnung: Dieser Text handelt von Cybergrooming und psychischem Missbrauch – inklusive Manipulation, Isolation und Schuldzuweisungen. Falls dich das triggert, ist das okay. Du musst nicht weiterlesen. Hilfe findest du bei der Nummer gegen Kummer (116 111) oder unter www.hilfe-portal-missbrauch.de.
Ich war 12. Zwölf Jahre alt. Und ich war so unglaublich einsam. Frisch umgezogen. Keine Freunde. Niemand, der mich wirklich sah. Meine Eltern liebten mich – aber manchmal reicht das nicht. Manchmal braucht man jemanden, der einfach versteht, wie es sich anfühlt, allein zu sein.
Und dann kam er. Ein Mann, weit über 40. In einer Facebook-Rollenspielgruppe. Am Anfang schien es harmlos. Er hörte mir zu. Er machte mir Komplimente. Er gab mir das Gefühl, endlich jemand zu sein, der mich versteht. Für mich war das wie ein Lichtstrahl in einer dunklen, einsamen Zeit.
Doch heute weiß ich: Er hat meine Verletzlichkeit ausgenutzt. Mein Bedürfnis nach Anerkennung. Meine Sehnsucht nach Nähe. Er hat mir das Gefühl gegeben, endlich dazuzugehören – nur um mich dann Schritt für Schritt von allem anderen zu isolieren.
Wie er mich manipuliert hat:
Er hat mir eingeredet, ich sei etwas Besonderes. Dass nur er mich wirklich versteht. Dass ich ohne ihn nichts bin.
Er hat mich dazu gebracht, intime Gedanken und Bilder zu teilen – Dinge, für die ich mich heute noch schäme. Dinge, die ich nie hätte tun sollen. Dinge, die ein Kind nicht tun sollte. Und wenn ich mich geweigert habe, hat er mir Schuldgefühle gemacht. „Warum vertraust du mir nicht?“ – „Ich dachte, wir wären Freunde.“ – „Du enttäuschst mich.“
Ich war 12. Ich war einsam. Ich war verzweifelt nach Nähe. Und er hat das ausgenutzt.
Sechs Jahre. Sechs Jahre, in denen ich nicht ich selbst sein durfte.
Sechs Jahre psychologischer Manipulation. Ständige emotionale Kontrolle. Subtile Drohungen. Gaslighting. Schuldzuweisungen. Er hat meine Unsicherheiten gezielt ausgenutzt, um mich klein zu halten.
Ich habe Warnsignale ignoriert, weil ich dachte, ich verdiene es nicht, beschützt zu werden. Ich habe mich geschämt – für meine Gefühle, für meine Schwäche, für die Dinge, die ich ihm geschickt und erzählt habe. Dabei war ich das Opfer.Er war der Täter.
Wie ich mich befreit habe
Als ich 18 wurde, konnte ich den Kontakt abbrechen. Doch die psychologischen Folgen blieben: Angst. Misstrauen. Unsicherheit. Schwierigkeiten, Grenzen zu setzen und mich selbst zu schützen.
Erst als ich meinen Eltern alles erzählte, spürte ich echte Sicherheit. Sie halfen mir, das Facebook-Profil zu löschen. Sie stellten klare Grenzen. Und sie unterstützten mich dabei, die emotionale Kontrolle des Täters zu durchbrechen.
Heute weiß ich:
Ich bin nicht schuld. Ich war ein Kind, das manipuliert, emotional abhängig gemacht und missbraucht wurde. Er war der Täter.
Ich wünschte, ich hätte früher erkannt, dass mein Bauchgefühl recht hat. Dass es in Ordnung ist, Hilfe zu suchen. Dass ich nie allein bin.
Meine Botschaft an euch:
Cybergrooming ist kein Kavaliersdelikt. Es ist ein Verbrechen. Nach § 176 Abs. 4 StGB ist es strafbar, wenn jemand ein Kind über digitale Medien kontaktiert, um es sexuell zu missbrauchen – egal, ob es zu körperlichem Missbrauch kommt oder nicht. Das ist kein „harmloses“ Gespräch. Das ist Manipulation. Das ist Missbrauch. Das gehört angezeigt.
Psychologische Manipulation trifft die Opfer – nicht sie selbst. Mechanismen wie emotionale Abhängigkeit, Gaslighting, Schuldzuweisungen und Isolation können jeden treffen. Besonders diejenigen, die verletzlich oder einsam sind.
Hört auf euer Bauchgefühl. Sprecht über eure Ängste. Sucht Unterstützung. Erstattet Anzeige. Niemand darf eure Einsamkeit ausnutzen. Ihr seid nicht allein.
📚 Empfohlene Literatur von Fiona Keinhorn:
„Zwischen Likes und Vertrauen“ Ein ehrlicher Ratgeber für Eltern: Wie Sie die digitale Welt Ihres Kindes verstehen und es vor Manipulation schützen. Mehr erfahren und bestellen
„Filter der Wahrheit – Die Falle des Cybergroomings“ Eine eindringliche Erzählung, die zeigt, wie Cybergrooming wirklich funktioniert. Mehr erfahren und bestellen
🌐 Weitere Informationen und Ressourcen:
Wichtig: Falls du betroffen bist oder jemanden kennst, der betroffen ist:
- Polizei: Erstatte Anzeige. Cybergrooming ist eine Straftat.
- Nummer gegen Kummer: 116 111 (kostenlos & anonym)
- Hilfeportal Missbrauch: www.hilfe-portal-missbrauch.de